Interview mit Projekt-Koordinatorin Bozhana Pavlova

Building Bridges: Gitarrenprojekt Graz – Pleven

Dass Musik Menschen verbindet, ist keine Neuheit. Im ERASMUS+-Projekt Building Bridges: Gitarrenprojekt Graz – Pleven nutzen bulgarische und österreichische GitarrenschülerInnen gemeinsam mit ihren LehrerInnen eben diese Chance eines künstlerischen und persönlichen Brückenbaus zwischen den teilnehmenden Städten Graz und Pleven. Im Fokus stehen dabei nicht nur der musikalische Fortschritt, sondern auch das Kennenlernen einer anderen Kultur, die eigene Horizonterweiterung sowie die Etablierung karrierefördender Kontakte.

Das Johann-Joseph-Fux-Konservatorium bat Initiatorin und Projektleiterin Dr.in Bozhana Pavlova MA zum Interview, um mehr über dieses spannende Projekt zu erfahren.

Isabel Lena de Terry: Gibt es einen konkreten Namen für dieses Projekt?

Bozhana Pavlova: Der Name des Projekts lautet ‚‚Music Bridges‘‘. Die Brücke als Symbol der Vereinigung und Verbindung hat hierbei eine besondere Bedeutung und ist Namensgeber für das Ziel des Projekts: Menschen aus verschiedenen Ländern zusammenzubringen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Ideen, Erfahrungen und Kreativität auszutauschen.

Isabel Lena de Terry: Was hat dich dazu bewogen, dieses Projekt zu starten?

Bozhana Pavlova: Für die MusikerInnen ist internationale Präsenz eine der wichtigsten Komponenten ihres Werdegangs. Sei es in der Lehre, der Teilnahme an verschiedenen Festivals oder als konzertierende Musiker – die Fähigkeit sich schnell anpassen zu können, ist besonders für junge MusikschülerInnen notwendig. Dieser Erasmus+-Austausch gibt den jungen KünstlerInnen eine Bühne zur Selbstdarstellung, Lernmöglichkeiten und viel mehr. Das ist etwas, das mich als Kind am Musikerdasein faszinierte – das Reisen mit der Gitarre ins Ausland, Treffen mit anderen KünstlerInnen und das Voneinander-lernen-Können. Auf dem Weg habe ich sehr wertvolle, lebenslange Freundschaften geschlossen, die noch heute für mich von großer Bedeutung sind. Das sind die Gründe, die mich für dieses Projekt motiviert haben. Heute als Gitarrenpädagogin möchte ich selbst unseren SchülerInnen diese Chance geben. Ich hoffe, dass sie ihnen ebenso viel Freude und positive Erfahrung bringen wird.

Isabel Lena de Terry: Kannst Du uns das Projekt in ein paar Sätzen kurz skizzieren?

Bozhana Pavlova: Im Rahmen zweier Ausbildungswochen werden Meisterkurse, Seminare, Konzerte, Ensembleprojekte und Kulturreisen organisiert. Bei dem achttägigen Aufenthalt werden drei GitarrenlehrerInnen aus Bulgarien und zehn ihrer GitarrenschülerInnen zusammen mit dem Schuldirektor das Johann-Joseph-Konservatorium in Graz besuchen und später werden wir nach Bulgarien reisen, ebenso für acht Tage. Während einer Austauschwoche werden die sechs GitarrenlehrerInnen Meisterkurse geben und die zwanzig SchülerInnen Unterricht erhalten. Wir haben zwei spezielle Gäste für unsere Workshops eingeladen. Den Workshop in Graz wird Michael Langer präsentieren. Er ist Gitarrist, Komponist und Lehrender an der Privatuniversität „Musik und Kunst“ und an der Bruckner-Universität in Linz. In Bulgarien werden wir den Vortrag von Rossen Balkanski hören dürfen. Er ist ein anerkannter Komponist und Pädagoge an der Nationalen Musikakademie in Sofia. Neben den Meisterkursen und den Vorträgen werden wir gemeinsame Ensembleproben veranstalten, in denen alle SchülerInnen zusammen musizieren werden. Das Thema des Ensembleprojekts heißt „Movie Music Bridges Europe“ und beinhaltet neu arrangierte populäre Filmmusikwerke für Gitarrenorchester. Zum Abschluss jeder Austauschwoche planen wir ein gemeinsames Konzert, wo die SchülerInnen, die mit den Dozenten erarbeitete Stücke aufführen und die Ensemblewerke präsentieren.

Isabel Lena de Terry: Was denkst du, worin liegen die Herausforderungen dieses Projekts?

Bozhana Pavlova: Es gibt viele Herausforderungen, wie bei jedem internationalen Projekt dieses Ausmaßes. Die Vorbereitung ist sehr aufwendig, denn wir müssen auf alle Details achten – Reise, Aufenthalt, Logistik etc. Die Kommunikation mit den KollegInnen in Graz und Pleven läuft wunderbar und das erleichtert die Abwicklung. Andererseits hoffe ich, dass die SchülerInnen neben den Lerninhalten und Konzertvorbereitungen, auch Spaß miteinander haben, denn Musik ist nicht nur harte Arbeit, üben und proben. Freundschaften schließen und den Kontakt zueinander auch nach dem Projekt nicht zu verlieren, würde ein tolles Ergebnis unserer Bemühungen darstellen.

Eduard Lanner: Kannst du eine kurze Botschaft für das Projekt formulieren?

Bozhana Pavlova: Ich möchte die Gelegenheit nützen, meine eigene Botschaft an die jungen TeilnehmerInnen zu vermitteln: „Habt keine Angst zu träumen. Die Welt ist groß und erwartet euch mit offenen Armen.“

Eduard Lanner: Worin liegt für Dich der Unterschied zwischen dem bulgarischen und dem österreichischen Musikschulsystem?

Bozhana Pavlova: In den zwei Musikschulsystemen gibt es viele Unterschiede. In Bulgarien gibt es viel weniger Musikschulen als in Österreich. Dort gleicht eine Musikschule einer allgemeinbildenden Schule mit dem zusätzlichen, zwei Mal wöchentlich stattfindenden, Angebot für Instrumental-, oder Gesangsunterricht. Nebenfächer wie Gehörbildung, Musikgeschichte, Akustik, Musiktheorie, Harmonielehre etc. sind im Stundenplan integriert. Dennoch haben in Österreich viel mehr SchülerInnen die Möglichkeit, Musik verstärkt zu erleben. Die Kapazitäten der Musikausbildungseinrichtungen sind im Vergleich zu Bulgarien groß und das ist extrem wichtig für die kulturelle Entwicklung des Landes. Ich finde, wir sollten alle voneinander lernen und die besten Ansätze austauschen. Das ist einer der Ziele dieser Erasmus+-Mobilität.

Eduard Lanner: Wie erlebst Du als Bulgarin das österreichische Kulturleben und das Schulwesen?

Bozhana Pavlova: Ich bin glücklich, dass ich mit achtzehn Jahren Österreich als zweite Heimat ausgewählt habe. Ich war immer dankbar für die liebevollen Menschen, denen ich auf meinem Weg begegnet bin und war auf jeden kommenden Tag gespannt. Ich fühle mich frei in Österreich und finde Inspiration für meine künstlerischen Ideen. Österreich ist so bunt und inspirierend, mit unendlicher Kreativität und einer modernen Sichtweise auf Ausbildungen.

Isabel Lena de Terry: Welche Erinnerungen/Erfahrungen verbindest du mit Graz, Österreich?

Bozhana Pavlova: Wenn ich an Österreich denke, spüre ich Freiheit. In Graz habe ich eine große Chance bekommen, die Tradition der Gitarrenkunst in der Stadt zu erleben. Das Konservatorium und die Musikuniversität in Graz sind Mittelpunkte der Gitarrenausbildung – nicht nur in der Steiermark – auch österreichweit. Hier haben sich meine pädagogischen Sichtweisen sehr erweitert. Ich bin auf die nächsten Projekte mit meinen KollegInnen gespannt. Mit ihrer Geschichte und ihren Sehenswürdigkeiten ist Graz eine sehenswerte Stadt und ich bin überzeugt, dass der Besuch unserer bulgarischen Freunde ein unvergessliches Erlebnis sein wird.

Isabel Lena de Terry: Was wäre dein Wunsch an das Projekt?

Bozhana Pavlova: Ich wünsche mir, dass das Projekt ein Beweis dafür ist, dass es für Musik und Kultur keine Grenzen gibt, weder geografische, soziale noch wirtschaftliche. Ich hoffe, dass dieses Projekt jedem Freude bereiten wird, und dass es uns daran erinnert, dass Zusammenarbeit und Hingabe im pädagogischen Beruf die Zukunft verändern können. Die Ergebnisse werden wir hoffentlich in mehreren Jahren sehen, wenn unsere SchülerInnen ihren eigenen Weg gehen werden und wir uns über ihre erfolgreichen Konzerte auf den Bühnen der Welt freuen werden.

Isabel Lena de Terry: Welchen Beitrag wünscht du dir von allen Beteiligten?

Bozhana Pavlova: Ich würde mir wünschen, dass sich alle KollegInnen des Konservatoriums an dem Projekt gleichermaßen beteiligen. Die Kapazität des Projekts ist beschränkt, da nur zehn TeilnehmerInnen aktiv mitmachen können. Trotzdem würde es mich sehr freuen, wenn auch andere GitarrenlehrerInnen mit ihren SchülerInnen als passive Zuhörer beim Projekt anwesend sein könnten. Das wünsche ich mir, sowohl von meinen bulgarischen Kollegen, als auch von den TeilnehmerInnen aus Österreich. Die gute Zusammenarbeit existiert bereits, mehr kann ich mir nicht wünschen. Letztes Jahr hat es beim Lehreraustausch schon sehr gut funktioniert. Von den SchülerInnen erwarte ich mir, dass sie ihre Inspiration, ihre Freude mitbringen, dass sie freundlich und tolerant miteinander umgehen und keine Angst vor den Grenzen, der großen Reise und unbekannten Leuten haben. Stattdessen wünsche ich mir Offenheit für Neues, neue Kontakte und Freundschaften. Das Ziel ist ein erweiterter Horizont. Außerdem soll ihnen dieser Austausch und die geknüpften Kontakte auch bei ihrem Werdegang und ihrer Karriere als ProfimusikerInnen und der späteren Universitätssuche dienlich sein. Kontakte dieser Art sind von Anfang an sehr wertvoll.

Isabel Lena de Terry: Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es einerseits darum, das Projekt bei den aktiven und passiven TeilnehmerInnen bekannt zu machen und andererseits darum, eine persönliche und musikalische Bereicherung auf Schülerseite zu erreichen, die ihnen beruflich helfen wird.

Bozhana Pavlova: Genau. Die Lehrer legen vor allem Wert auf persönliche Erfahrungen. Unser Programm ist mit acht Tagen sehr dicht besetzt. Aber was für mich mehr zählt, ist das Knüpfen neuer Kontakte, der emotionale Aspekt dabei. Das sehe ich als Schwerpunkt.

Isabel Lena de Terry: Nach welchen Kriterien wurden die SchülerInnen ausgewählt?

Bozhana Pavlova: Das ist unterschiedlich. In Graz haben wir ein Hearing gemacht, da es so viele SchülerInnen sind. In Bulgarien wurden die SchülerInnen einfach von dem Lehrer, der Lehrerin nach bestimmten Kriterien ausgewählt, wie z.B. nach dem Alter und der jährlichen Leistung. Das vermute ich. Uns ist es vor allem wichtig, dass gerade MaturantInnen, sprich MusikschülerInnen, die kurz vor ihrem Abschluss sind, Chancen dieser Art bekommen, obwohl das für dieses Projekt kein Kriterium war.

Isabel Lena de Terry: Wie sieht es sonst mit musikalischen Projekten bei euch aus? Gibt es auch andere Kooperationen mit anderen Schulen oder Ländern?

Bozhana Pavlova: Soweit ich weiß, hat jede Schule ihr Programm, das sie für die nächsten Jahre vorbereitet. Viele Schulen veranstalten eigene Musikschulwettbewerb. Es gibt auf bulgarische Musik ausgerichtete Wettbewerbe oder international anerkannte Wettbewerbe für unterschiedliche Instrumente. Man kann sagen, dass es eigene Festivals im Rahmen der Schulen gibt, die dennoch international sind. Das ist etwas anders als bei Prima la Musica, wo es sich um einen landesweiten Wettbewerb handelt. Bei uns hat jede Schule ihr Programm für die nächsten Jahre vorausgeplant. Manche Schulen veranstalten Festivals, die sich über Jahre hinwegziehen und regelmäßig stattfinden.

Isabel Lena de Terry: Also geht es auch darum, bulgarische Musik in die Welt zu tragen?

Bozhana Pavlova: Ja, auch. Natürlich geht es auch darum, österreichische Musik zu uns nach Bulgarien zu bringen.

Hier gibt es viel österreichische, zeitgenössische Musik. Musik, die aber in Bulgarien nicht so oft gespielt wird.

Isabel Lena de Terry: Welchen Stellenwert hat die Gitarrenmusik in Pleven?

Bozhana Pavlova: Ich finde, dass sich die Gitarrenschulen in den letzten Jahren sehr entwickelt haben. Besonders dazu beigetragen hat das Gitarrenfestival in Pleven. Hier handelt es sich um ein internationales einwöchiges Festival mit Wettbewerben und Meisterkursen. In den letzten Jahren hat dieses Festival stark an Popularität gewonnen. Wir haben tolle Konzerte mit weltbekannten MusikerInnen und GitarristInnen erlebt. Pleven hat einen großen Beitrag zur Entwicklung und Etablierung der Gitarre beigetragen. Ich bin sehr zufrieden.

Isabel Lena de Terry: Macht sich das auch an einer steigenden SchülerInnenanzahl bemerkbar?

Bozhana Pavlova: Ich höre von den Direktoren, dass das Interesse an einer Musikausbildung an den Musikschulen gestiegen ist. Man könnte sagen, dass die Gitarrenklassen voll sind. Das freut mich ganz besonders und zeigt einmal mehr, wie wichtig Förderung durch zusätzliche Programme wie jenes von ERASMUS+ ist.